Kontamination im Verborgenen: Risiken durch Umweltprobleme

Bioquell RBDS

Reinräume sind so konstruiert, dass sie strenge Umweltkontrollen gewährleisten. Dadurch werden empfindliche biopharmazeutische Prozesse vor mikrobiellen Gefahren geschützt. Dazu gehören die Steuerung und Überwachung von Luftstrom, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Konzentrationen lebensfähiger und nicht lebensfähiger Partikel. Doch selbst die am strengsten gewarteten Anlagen sind anfällig für Kräfte, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen. Umweltprobleme können jederzeit auftreten. Dazu zählen beispielsweise Überschwemmungen, Ausfälle von Klimaanlagen, Stromausfälle und andere Infrastrukturausfälle. Diese können die Integrität von Reinräumen schnell beeinträchtigen, das Risiko von Verunreinigungen mit sich bringen und kritische Schwellenwerte überschreiten.

In diesem Artikel wird untersucht, welche Auswirkungen solche Ereignisse auf die Reinraumintegrität haben können. Anhand eines Praxisbeispiels wird gezeigt, wie ein gut vorbereiteter Pharmahersteller nach einer Umweltkatastrophe durch eine biologische Dekontamination seiner Anlage die Betriebssicherheit schnell und wissenschaftlich fundiert wiederherstellen konnte.


Umweltprobleme, die die Integrität von Reinräumen beeinträchtigen können:

  1. Ausfälle von HLK-Systemen
    HLK-Systeme sind das Rückgrat der Umgebungskontrolle in Reinräumen. Sie regulieren den Luftstrom, halten Druckdifferenzen aufrecht und filtern Partikel und Mikroben. Ein Ausfall ist oft unvorhersehbar, sei es aufgrund eines Stromausfalls, einer mechanischen Störung oder einer Beeinträchtigung des Filters. Dies kann zu Folgendem führen:
    • Verlust des Überdrucks, wodurch ungefilterte Luft aus der Umgebung eindringen kann.
    • Erhöhte Luftfeuchtigkeit, die Schimmel- und Bakterienwachstum begünstigt.
    • Umwälzung kontaminierter Luft, wenn Rohrleitungen oder Filter beschädigt sind.
  2. Überschwemmungen und Wassereinbrüche
    Wasser ist ein starker Vektor für mikrobiologische Kontamination. Überschwemmungen durch Stürme, Rohrbrüche oder Entwässerungsausfälle können Folgendes zur Folge haben:
    • Wassergebundene Krankheitserreger wie Pseudomonas, Legionella und fäkale Coliforme.
    • Organische Rückstände, die das Wachstum von Mikroorganismen fördern.
    • In Wänden, Böden und Geräten versteckte Feuchtigkeit, die langfristige Kontaminationsrisiken verursacht.
  3. Ausfälle von Anlagen
    Defekte Inkubatoren, Autoklaven oder Reinraummaschinen können:
    • Stagnierende Bereiche mit schlechter Luftzirkulation schaffen.
    • Temperatur oder Luftfeuchtigkeit außerhalb der validierten Bereiche schwanken lassen.
    • Das Wachstum von Mikroorganismen in unzugänglichen oder nicht überwachten Bereichen begünstigen.
  4. Strukturelle Lücken
    Risse, Undichtigkeiten oder beschädigte Dichtungen in Wänden, Decken oder Türen können die Reinraumhülle beeinträchtigen. Diese Lücken können:
    • Das Eindringen von ungefilterter Außenluft ermöglichen.
    • Partikel und Sporen aus angrenzenden unkontrollierten Umgebungen einbringen.
    • Luftströmungsmuster stören, die für die Kontaminationskontrolle entscheidend sind.
  5. Menschliches Versagen bei der Gefahrenabwehr
    Im Chaos nach einer Katastrophe können Notfallreparaturen oder Aufräumarbeiten unbeabsichtigt zu folgendem führen:
    • Protokolle zur Kontaminationskontrolle umgehen.
    • Unsterile Werkzeuge oder Materialien in eine kontrollierte Umgebung einführen. Wenn kontaminierte Zonen nicht ordnungsgemäß isoliert werden, kann dies zu Kreuzkontaminationen führen.

Diese Risiken unterstreichen die Bedeutung einer schnellen Bewertung und Intervention nach jeder Umweltstörung.


Fallstudie: Einsatz von biologischer Dekontamination zur Beseitigung von Überschwemmungsschäden in einer pharmazeutischen Anlage

Eine schwere Sturmflut traf die Nordostküste Großbritanniens und überschwemmte eine große pharmazeutische Produktionsstätte. Das Hochwasser bestand sowohl aus Meerwasser als auch aus „Schwarzwasser” aus der Kanalisation und stellte somit ein erhebliches Kontaminationsrisiko dar. Die Reinräume in den oberen Etagen blieben glücklicherweise von der Überschwemmung verschont. Ihre Betriebsfähigkeit hing jedoch von den Transitwegen durch die überfluteten unteren Etagen ab. Ohne Intervention war das Risiko einer Kreuzkontamination unvermeidlich.

Mikrobiologische Risikobewertung

Das Vorhandensein von Schwarzwasser führte zu einem hohen Risiko einer biologischen Belastung durch opportunistische Krankheitserreger. Die Herausforderung bestand nicht nur in der Reinigung der Oberflächen, sondern auch darin, unsichtbare Mikroorganismen in der gesamten Anlage zu beseitigen, einschließlich schwer zugänglicher Bereiche wie Aufzugsschächte und hohe Decken. Alle Hohlräume, in denen sich Mikroben ansammeln könnten, mussten beachtet werden.

Strategie zur Biodekontamination

Nach der Entwässerung wurde die Anlage vollständig entfeuchtet und manuell gereinigt. Anschließend wurde das Bioquell RBDS-Team (Rapid Bio-Decontamination Service) von Ecolab beauftragt, eine schnelle und umfassende biologische Dekontamination mit Wasserstoffperoxiddampf (HPV) durchzuführen, um eine 6-log-Sporizidwirkung auf exponierten Oberflächen zu erzielen1.

Es wurde ein Plan ausgearbeitet, in dessen Rahmen die Anlage unterteilt und anschließend die kritischen Bereiche für die biologische Dekontamination priorisiert wurden. So konnte sichergestellt werden, dass Verunreinigungen aus dem Wasser, insbesondere aus schwer zugänglichen Bereichen wie Aufzugsschächten und eingeschlossenen Luftkammern, entfernt wurden. Um einen sauberen Zugang zu nicht betroffenen Bereichen zu gewährleisten, wurde nach der biologischen Dekontamination der Rest der betroffenen Anlage nach einer Strategie dekontaminiert, die es ermöglichte, andere Sanierungsarbeiten unmittelbar außerhalb der behandelten Bereiche fortzusetzen. Einige spezialisierte Lagerbereiche wurden ebenfalls in den Geltungsbereich einbezogen und insgesamt wurde ein Bereich mit einem Volumen von 20.000 m3 biologisch dekontaminiert.

Angesichts des großen Umfangs des Projekts und der Notwendigkeit, die biologische Kontamination unter Kontrolle zu bringen, konnte das RBDS-Team von Ecolab in allen Projektaspekten beratend tätig werden:

  • Eine weitere unerwünschte Ausbreitung der Kontamination verhindern.
  • Sicherstellen, dass die manuellen Reinigungsprozesse die Anlage für die biologische Dekontamination optimieren.
  • Gewährleistung der effizienten Nutzung der HPV-Technologie von Bioquell bei gleichzeitiger Verringerung des Risikos einer Kreuz- (oder Wieder-)Kontamination.

Aufgrund des extrem hohen Zeitdrucks stationierte Ecolab ein Team beim Kunden vor Ort, damit die biologische Dekontamination sofort beginnen konnte, sobald die einzelnen Bereiche verfügbar waren. Außerdem wurde eine große Menge an Ausrüstung zum Einsatzort transportiert, sodass sowohl kleine Räume als auch große Lagerhallen kurzfristig behandelt werden konnten.

Nach der biologischen Dekontamination eines großen Lagerbereichs (5000 m3 mit einer Deckenhöhe von 12 m) wurde der Schwerpunkt auf die biologische Dekontamination der Aufzugsschächte verlagert, um den Zugang von Materialien zu den oberen, sauberen Etagen zu ermöglichen. Die RBDS-Techniker platzierten die HPV-Generatoren am Boden des Aufzugsschachts, versiegelten die Schächte vollständig und verteilten mithilfe von gerichteten Düsen und leistungsstarken Ventilatoren den Wasserstoffperoxiddampf im gesamten Schacht – sowohl unterhalb als auch oberhalb der Aufzugskabine. Dies wurde durch das Erreichen einer 6-log-Deaktivierung auf allen biologischen und chemischen Indikatoren von Geobacillus stearothermophilus gezeigt, die innerhalb des Bereichs platziert wurden. Nach der erfolgreichen Biodekontamination des Aufzugsschachtes wurde die Aufzugskabine reaktiviert und als separates Gehäuse dekontaminiert.

Nachdem der Zugang gewährt und der Aufzug wieder in Betrieb genommen worden war (ohne das Risiko einer Kreuzkontamination), konzentrierte man sich auf große Produktionsbereiche, die nun so weit getrocknet und gereinigt waren, dass der Bioquel HPV-Prozess angewendet werden konnte. Dieser endgültige Produktionsbereich bestand aus einer einzigen Zone mit einem Volumen von 6.000 m 3, die innerhalb von 20 Stunden als ein separater Bereich biologisch dekontaminiert wurde.

Ergebnisse und Wiederherstellung

Innerhalb von 10 Tagen nach der Überschwemmung lag die Produktionsstätte wieder innerhalb der Betriebsrichtlinien für zulässige Kontaminationswerte – gemessen durch Luftproben und Oberflächenabstrich. Vom ersten Kontakt bis zur Wiederherstellung der Anlage dauerte der gesamte Prozess nur 8 Tage und umfasste 20.000 m3 in 15 separaten Zonen. Obwohl in kürzlich überfluteten Gebieten mit zahlreichen anderen Auftragnehmern in der Nähe gearbeitet wurde, wurden alle biologischen Dekontaminationszyklen sicher durchgeführt und eine validierte 6-log-Reduktion der biologischen Belastung durch biologische Indikatoren von Geobacillus stearothermophilus erreicht.

Gewonnene Erkenntnisse: Proaktive Vorsorge und rasche Reaktion

Dieser Fall verdeutlicht mehrere wichtige mikrobiologische Grundsätze:

  1. Umweltgrenzwerte sind wichtig: Reinräume sind anfällig, wenn Feuchtigkeit, Luftstrom oder Druckunterschiede gestört sind.
  2. Verunreinigungen sind nicht immer sichtbar: Mikroben können in Hohlräumen, Rohrleitungen und hinter Oberflächen überleben.
  3. Schnelles Eingreifen ist entscheidend und erfordert Vorbereitung: Verzögerungen bei der Bekämpfung der Kontamination erhöhen das Risiko einer mikrobiellen Ausbreitung und einer Beeinträchtigung des Produkts. Ohne einen Notfallplan hätte sich die Durchlaufzeit für diesen Pharmahersteller drastisch verlängern können, was zu weiteren Verzögerungen in der Produktion geführt hätte.​​​​​​​
  4. Eine validierte biologische Dekontamination kann Abhilfe schaffen: HPV bietet nachgewiesene Wirksamkeit, detaillierte Berichterstattung und validierte Ergebnisse und erreicht dabei Bereiche, die mit manueller Desinfektion möglicherweise nicht erreicht werden können.

Fazit: Aufbau von Resilienz im Reinraumbetrieb

Umweltkatastrophen sind unvorhersehbar, aber ihre Auswirkungen auf die Reinraumintegrität können durch wissenschaftlich fundierte Strategien zur biologischen Dekontamination gemildert werden. Mikrobiologen spielen eine wichtige Rolle bei der Risikobewertung, der Anleitung von Sanierungsmaßnahmen und der Validierung von biologischen Dekontaminierungsmaßnahmen.​​​​​​​

Einrichtungen sollten Katastrophenschutzprotokolle in ihre Kontaminationskontrollpläne aufnehmen, einschließlich Partnerschaften mit Experten und Lieferanten für biologische Dekontamination, und sollten regelmäßig eine Risikokartierung gefährdeter Bereiche durchführen. Wie dieser Fall zeigt, können selbst die schwerwiegendsten Verstöße mit den richtigen Tools und Fachkenntnissen behoben werden. Dadurch wird die mikrobiologische Kontrolle wiederhergestellt und die Produktion gesichert.


  1. Bioquell HPV-AQ 35 % Wasserstoffperoxid Zulassung von Wasserstoffperoxid in europäisches Recht aufgenommen – Biozid-Produkte-Verordnung (BPR, Verordnung (EU) 528/2012))↵
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